Geschichten schreiben
Posted on Tue 14 February 2017 in german
Dies sind meine gesammelten Notizen zu "Wie schreibt man eine Geschichte?":
5 Tips für kreativere Fiktion
- Starte mit Spannung: Verlust einer geliebten Person, Niederlage bei einem Rennen gegen den langjährigen Widersacher, etc.
- Wissen, was die Charaktere mögen: Wünsche treiben die Charaktere an
- Beende jedes Kapitel mit einem Cliffhanger: Durch unbeantwortete Fragen entsteht Neugier
- Lege dem Protagonisten Steine in den Weg
- Verstehe die (Wünsche der) Leser
Tipps anderer Autoren
- Stelle Charaktere und Themen im ersten Drittel vor, im zweiten Ausbau der Geschichte, im dritten Auflösung.
- Lies es laut vor, um dich zu vergewissern, dass der Rhythmus gut ist.
- "Don't tell me the moon is shining. Show me the glint of light on broken glass."
- Behalte deine Ausrufezeichen unter Kontrolle.
Wie schreibt man ein Buch?
- Der Plot ist wie eine Reihe umfallender Dominosteine: Alles hängt vom Vorgänger ab.
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Der Hauptkonflikt ist roter Faden der Geschichte, dieser sollte trotzt Nebenschauplätzen nicht verloren gehen (Vgl. spätere Bücher von 'Das Schwert der Wahrheit'). Der Hauptkonflikt muss in einem Satz formulierbar sein, etwa
"Zwei Liebende stellen sich trotz Hindernisse ihrer ungleichen Herkunft und gegen den Willen ihrer verfeindeten Familien ihrer Liebe".
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Gute Bücher haben ein Thema, um das sich alles dreht. In "Das Parfüm" beschreibt der Autor Orte und Geschehnisse in Gerüchen.
- Dramatik ist eine Gaussche Glocke mit höherem Ende als am Beginn: Am Anfang ist das auslösende Ereignis, die Reise beginnt, die Story entwickelt sich zu ihrem Höhepunkt und zu ihrer dramatischen Wendung. Es folgt der finale Kampf und Schluss.
- Gute Figuren haben etwas Außergewöhnliches: Hobby/Charakterzug/Lebensgeschichte. Am Leichtesten geht das, wenn sie einen außergewöhnlichen Wunsch vom Autor mitgegeben bekommen.
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Spannung: Solide Basis durch gute Verknüfung von Plot und Figuren.
"Liebesgeschichte auf Boot mit einem Nichtschwimmer als Hauptfigur. Nun kentert das Boot."
Durch mehr Konflikt wird der Spannungsbogen ausgebaut:
"Geliebte treibt im Wasser. Plötzlich verschwindet der Rettungsring."
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"Show, don't tell." - Narratives Erzählen beschreibt Geschehnisse (vgl. Lovecraft). Szenisches zeigt das Geschehen mit Dialogen und Handlungen. Es beschreibt was die Personen hören, riechen, sehen, fühlen, schmecken. > Narrativ: "Hänsel und Gretel verliefen sich im kalten, finsteren Wald und sie fürchteten sich." > Szenisch: "Gretel zitterte und ihr fahles Gesicht hob sich von den rabenschwarzen Baumstämmen ab. 'Ich bin hundemüde' flüsterte sie. Hänsel wischte sich die triefende Nase. 'Wir müssen vorwärts' drängte er seine Schwester."
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Dialoge leben von all dem, was NICHT ausgesprochen wird! Häufigster Fehler: Die Figuren reden zu viel. Es reicht oft, Dialoge zu kürzen, bis sie kaum noch verständlich sind (vgl. Stephen King, der 10% streicht).
- Gefühl - Beim Schreiben die Szene vor Augen haben, sie erleben.
- Durch Wechsel des Schreibstils lassen sich Unterschiede erkennen und man lernt Sprache bewusster einzusetzen (mal Kafka, mal Comic-haft, mal Tolkien,...). Vorsicht mit Metaphern und Adjektiven. Mit Bedacht eingesetzt sind sie gut, zu viel und die Geschichte wird ungenießbar.
Hemingways Eisberg-Theorie
Durch einen Stil, der überflüssige Materie weglässt, wird das Geschriebene interessanter.
Hemingway hat sich auf die oberflächigen Elemente konzentriert, ohne explizit die darunter liegenden Themen zu diskutieren.
Die ware Bedeutung eines Textes sollte nicht durch die Oberfläche der Geschichte offensichtlich sein. Die Crux der Geschichte sollte eher unter der Oberfläche liegen und durchschimmern.
KAFKA-Stilkriterien
Konkret schreiben
Allgemeine Begriffe vermeiden - Welche Sorte Baum? - Welche Farbe? - Welcher Vogel?
Anm: Andererseits langweilt es den Leser eventuell, wenn man seitenlang die Architektur eines Hauses beschreibt, an dem die Hauptperson gerade angekommen ist...
Aktiv schreiben
Passiv ist langweilig. Die handelnden Personen beim Namen nennen!
Füllwörter streichen/Floskeln ersetzen
Bei Kennzeichnung des Gegensatzes notwendig: "Aber, dagegen, dennoch, hingegen, jedoch"
Auch gut, wenn eine ursächliche Folge gemeint ist: "Dadurch, daher, denn, deshalb, vielleicht, beinahe".
Goethe veröffentlichte 1817 eine Liste von Füllwörtern "welche der Schriftsteller vermeidet, sie jedoch dem Leser beliebig einzuschalten überlässt":
- aber
- ohne Zweifel
- beinahe
- sonst
- damals
- ungefähr
- einigermaßen
- unmaßgeblich
- fast
- vielleicht
- geradezu
- wahrscheinlich
- gewissermaßen
- wenigstens
- irgend
- zugegeben
- kaum
Floskeln sind Sprachklischees, gestanzte Wendungen: "Stinkfaul, splitternackt, bitterer Ernst, goldene Mitte, grünes Licht, Spitze des Eisbergs, wie ein Murmeltier schlafen, ...". Stattdessen suchen wir frische, genaue, eigenwillige Formulierungen.
Kurz schreiben
Wortungetüme vermeiden. Solche Worte sind wie Nüsse, die wir knacken, um den Kern der Aussage herauszuschälen.
Kurze Sätze sind verständlicher:
- Bis 13 Worte sehr leicht.
- 14-18 Worte leicht
- 19-25 Worte verständlich
- 25-30 Worte schwer verständlich
- ab 31 Worte sehr schwer
Adjektive sparsam verwenden
Adjektive sind statisch, beschreiben. Sie klingen manchmal schön, stören aber oft den Fluss der Sprache. Beim Überarbeiten überflüssige Adjektive streichen.
Betonung zu Beginn
"Man kann ganz ohne eine Häufung von Adjektiven oder gar Ausrufezeichen eine Betonung im Kopf des Lesers erzeugen, indem man das Wichtigste so weit wie möglich an den Satzbeginn stellt."
Fiktionales Schreiben
Was ändert sich an der Geschichte, wenn man die Rollen des Protagonisten mit der des Antagonisten austauscht (Perspektivenwechsel)?
- Hautfarbe
- Geschlecht
- Soziale Herkunft
- Bildungsstand
Geschichten finden:
Prämisse: "Was wäre, wenn ...?"-Frage:
- Was wäre, wenn ein Mensch tot wäre und es nicht wüsste?
- Was wäre, wenn man die Erinnerung an einen Menschen aus dem Gedächtnis löschen könnte?
Logline: Reduziert die Geschichte auf einen Satz. Diese bilden den Grundstein für den Kurzinhalt: 3-4 Sätze, die die Geschichte umreißen.
Anhand dieser kann man die Idee für eine Geschichte beurteilen.
Schreibtraining
"Wenn wir unseren Kindern das Sprechen genauso lehren würden wie das Schreiben, würde jeder stottern." - Mark Twain
Freies Schreiben erlernen:
- Mit der Hand schreiben
- Fließendes Schreiben (nicht absetzen oder nachdenken)
- Schnelles Schreiben (keine Schönschrift gefordert) --> Ideen generieren
- Falsches Schreiben: Rechtschreibung und Grammatik sind egal. Korrekturimpuls raus kriegen
- Schlechtes Schreiben: Qualität ist egal. Quantität zählt! Einfach schreiben, Phantasie erlauben. Keine Denk- und Schreibblockaden
- Sprechendes Schreiben: Keine gestellte Sprache
- Begrenztes Schreiben: 5 Minuten oder Din A4 Seite. Dann Pause, sonst Kreativitätsende
- Zu Ende schreiben: Klein anfangen, sonst geht die Puste aus
- Regelmäßiges Schreiben: Lieber 3x 5 Minuten als am Stück 15 Minuten. Regelmäßiges Training bringt Routine, Erfahrung und macht das Schreiben zu einer tagtäglichen Angewohnheit. Das macht es einfacher, ohne Widerstände mit dem Schreiben zu beginnen und in die eigene Gedankenwelt zu versinken
- Spontanes Schreiben
- Thematische Übungen: Etwa eine Person beschreiben, die man draußen sieht
- Zufällige Übungen: Tabelle mit 3 Spalten und Worten aufstellen. Je nach Tag 3 Worte aussuchen und darüber schreiben
Innere und äußere Geschichte
Gute Figuren haben einen inneren und äußeren Mangel: Der äußere Mangel führt zum dramatischen Ziel (Menschen erobern, aus einem Gefängnis ausbrechen, noch einmal das Meer sehen, ...). Innerer Mangel macht die Figur erst interessant, dazu braucht es ein Bedürfnis (Liebe gewinnen, Anerkennung bekommen, sein wahres Ich erkennen).
Ziel und Bedürfnis stehen in einem gewissen Verhältnis. Die reine Verwirklichung des Zieles würde sie nicht glücklich machen. Interessante Geschichten könnte dadurch entstehen, dass sich Ziel und Bedürfnis widersprechen. Um sein Ziel zu erreichen, verdrängt der Protagonist seine Bedürnisse.
Die Krise ist der Punkt, an dem der Konflikt zwischen Ziel und Bedürfnis am größten ist: Der Figur wird klar, dass ihr bisheriges Streben nicht zum Ziel führen konnte, dass das was sie die ganze Zeit wollte, nicht das ist, was sie braucht. Zugleich wird ihr klar, was sie braucht und hat die Möglichkeit sich zu ändern/entscheiden: Entweder gibt sie das alte Ziel auf und wird glücklich oder sie hält am alten fest und zerbricht daran.
Das Bedürfnis sollte nicht zu abgefahren sein, damit man sich damit identifizieren kann. - Ist sich die Figur des Bedürfnisses bewusst? - Liegt dem Wunsch das Bedürfnis zugrunde oder widersprechen sie sich?
Das Ziel treibt die Handlung voran. Die innere Geschichte wird vom Bedürfnis des Protagonisten voran getrieben.
Konfliktbogen
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Etablierung
Ein Konflikt ist etabliert, sobald im Leben des Protagonisten ein Mangel entsteht. Dazu muss die Alltagsroutine erläuert werden, so dass der Leser das Motiv versteht --> Ziel (Mangel beheben, Gleichgewicht herstellen).
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Auslösung
- Was ändert sich?
- Vorteile? Nachteile?
- Was ändert sich für die Figuren?
Man darf nicht dem Drang verfallen, es seiner Figur zu leicht zu machen, sie muss ständig neue Hindernisse bekommen. Nachdem der Protagonist passiv war, weglaufen wollte, erkennt er, dass es keinen anderen Web gibt und wird selbst handelnd.
Anm: Stephen King quält seine Figuren ganz gerne und fiebert dann selbst mit, wie sich die Figur wohl aus der brenzligen Situation befreien wird.
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Austragung
Antagonistische Kraft wird immer stärker. Protagonist muss immer mehr wagen, um dagegen zu halten.
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Auflösung
Für den Protagonisten kann es nicht mehr schlimmer werden.
- Was hat sich am Ende der Geschichte zum Anfang verändert?
- Wie hat sich der Protagonist verändert? Neue Weltsicht?
Krise: Hier wird klar, was für Protagonist alles auf dem Spiel steht. Ziel <--> Bedürfnis --> Entscheidung!
Höhepunkt: Protagonist und antagonistische Kraft treffen ein letztes Mal aufeinander. Vom Anfang der Geschichte muss sich alles auf den Höhepunkt verdichten. Daran zeigt sich gute Vorarbeit der Geschichte.
Ende:
- Positiv: Wunsch der Leser
- Negativ
- Ironisch:
- Positiv ironisch: Figur bekommt, was sie will, aber auf eine andere Art als gedacht. Oder sie bekommt, was sie braucht, aber nicht wollte. Grundlage dafür ist der Konflikt zwischen Ziel und Bedürfnis
- Negativ ironisch: Protagonist verpasst Chance auf Besserung und zerstört sich selbst
Konflikte
- Zwischenmenschlich: Gegenspieler, anderer Mann buhlt um Frau, ...
- Sozial: Regierung, Gang, Firma (meist repräsentiert durch Vertreter)
- Innerer: Konflikt besteht aus 2 sich widersprechenden Wünschen. Figur zweifelt an sich. Innerer Konflikt wird durch andere Personen, Objekte oder Handlungen nach außen projiziert.
Konzept - Figuren
Konzept
Geschichten erzählen über Wert, das Menschsein, Weltsicht, Moral, ...
Wert beschreibt Eigenschaften menschlicher Erfahrung wie Liebe/Hass, Anerkennung/Ablehnung, Freiheit/Sklaverei, ... Wert muss sich in der Geschichte verändern, dynamisch sein. Beispiel: Liebespaar hasst sich kurzzeitig
Zu betrachten ist auch die Verbindung von Thema und Figuren: - Wie spiegelt sich das Thema in den Figuren wieder? - Was ist die zentrale Frage der Geschichte?
Figuren
- Einzelprotagonist
- Plural-Protagonist: Mehrere Figuren verfolgen das gleiche Ziel. Sie gewinnen und verlieren zusammen
- Multi-Protagonist: Mehrere Figuren mit individuellen Zielen
Soziologische Dimension
- Gesellschaftsschicht
- Sozialer Status
- Ausbildung/Beruf
- Religion
- Beziehung
- Umfeld
- Hobbies
- Milieu
- Kultur
- Religiöse Riten
Psychologische Dimension
- Moral/Werte/Weltsicht
- Temperament
- Süchte
- Intellekt
- Phobien
- Sehnsüchte/Leidenschaften
- Abneigungen
- Humor
- Begabungen
- Haltung zu Leben und Tod
Beim Protagonist sollte die zentrale Charaktereigenschaft im Hinblick auf Charakterentwicklung definiert sein. Andererseits machen widersprüchliche Positionen einen Charakter interessant/tiefgründig.